Rückblick Erwerbslosentagung 2019: Teilhabe und Ausgrenzungsrisiken

In diesem Jahr beschäftigten sich annähernd 60 Teilnehmende mit Fragen der sozialen Teilhabe und der Gesundheitsförderung. Betroffene und VertreterInnen aus Politik, Forschung, Projekten und Initiativen berichteten über ihre Erfahrungen und tauschten sich über drei Tage Anfang Juli intensiv aus. Das Haus der evangelischen Kirche in Bad Herrenalb erwies sich wiederholt als hervorragende Örtlichkeit.

Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Solidarität sind Werte, die immer wieder ausgehandelt und konkret umgesetzt werden müssen. Dabei spielt Gesundheit eine wichtige Rolle, denn Ausgrenzungsrisiken entstehen in unserer Gesellschaft oft dann, wenn Krankheiten Einzug in Lebensläufe erhalten.

Nach der Begrüßung durch Renate Zäkel, KDA Baden informierte Ministerialrat Knut Bergmann aus dem Wirtschaftsministerium. Speziell die (Weiter-)Förderung der Arbeitslosenzentren stand im Fokus.

Prof. Dr. phil. habil. Martin Kronauer stellte in seinem anschließenden Vortrag die Konzepte des Bedingungslosen Grundeinkommens und des Rechts auf Arbeit gegenüber.

Im Anschluss ging Martin Tertelmann, Neue Arbeit gGmbH Stuttgart, in seinem Vortrag „Teilhabe aus Sicht von Betroffenen und sozialen Einrichtungen“ insbesondere auf das Zusammenspiel von Betroffenen und ExpertInnen ein. Hier sei es wichtig, dass in der Öffentlichkeit und im politischen Diskurs ein optimales Maß der Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung gefunden wird, um möglichst sprachfähig zu werden. Anschließend berichteten Mitwirkende der Zukunftswerkstatt über die aktuellen Entwicklungen in den Projekten „Recht auf Arbeit“, „Schulprojekt Solidaritätscheck“ und „Plenum für Menschen in unsicheren Lebenslagen“.

Am Abend gab es den eindrucksvollen Film „Pride“ zu sehen, in dem zwei ausgegrenzte Gruppen eine ungewöhnliche Allianz bilden. Und auch eine musikalische Gruppe mit vielen gitarrenbegleiteten Liedern genieß den schönen Sommerabend auf der Terrasse.

Am zweiten Morgen eröffnete Prof. Dr. med. Gerhard Trabert vom Verein „Armut und Gesundheit in Deutschland e. V.“ mit einem Referat über „Armut und Ihre Auswirkungen auf Gesundheit“. Ein Zusammenhang zwischen schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen und schlechtem Gesundheitszustand ist bereits lange bekannt. Herr Trabert konnte den Zuhörern lebhafte Eindrücke seiner Auslandseinsätze und der Arbeit in Deutschland vermitteln. Zudem waren die sprachlichen Stigmatisierungen und Ausgrenzungen Thema.

Yalcin Kutlu, IMU Institut Stuttgart, lieferte in seinem Bericht „Ökonomisierung des Gesundheitswesens und die Folgen“ einen Vorgeschmack auf den Film „Der marktgerechte Patient“, der Teil eines Workshops am Nachmittag war und Auswirkungen der Krankenhaus-Reformen auf die Patienten und Beschäftigten dokumentiert. Mit Wut und Ärger vom Film noch im Bauch, tauschten sich die Teilnehmenden über Möglichkeiten der Intervention vor Ort aus.

Die Gruppe zum Thema „Versorgungsstrategien der kommunalen Gesundheitsförderung“ beschäftigte sich mit den Verhältnissen und den individuell als „gut“ oder „ungut“ empfundenen Orten, Quellen und Begebenheiten. Die Bereiche medizinische Versorgung auf dem Land, Kultur und Freizeit und der Ort Jobcenter wurden in Kleingruppen tiefgehender betrachtet. Einheitlich wurde ein Bündnis und enge Zusammenarbeit vieler Akteure als notwendig für positive Veränderungen festgestellt.

Der Workshop „Auswirkungen von Armut auf die Lebensführung und das Gesundheitsverhalten“ beschäftigte sich neben den Verhältnissen intensiver mit dem individuellen Verhalten und beleuchtete gelingende Bedingungen. Als Hinderungs- und Ausgrenzungsrisiken wurden hier vor allem die finanzielle Situation und der psychische Druck als Jobcenterkunde genannt. Solidarität wurde als sehr gesundheitsförderlich betrachtet.

„Auswirkungen von Armut im Alter“ war das Thema des vierten Workshops und beschäftigte sich ausführlich mit den spezifischen Fragestellungen und Problematiken. Genauso vielfältig waren die Forderungen, die die Teilnehmenden festgehalten haben.

Inhaltlich abgerundet wurde der Tag mit dem Film „Das Salz der Erde“.

Jendrik Scholz, DGB Baden-Württemberg erläuterte in seinem Input „Sozialer Arbeitsmarkt – Perspektiven des DGB“ die Positionen des Gewerkschaftsbundes, beispielsweise dem Ausbau des ALG-I. Er nannte die verschiedenen Aspekte und Bedenken hinsichtlich der neu gestalteten Paragraphen 16 e und i, wie beispielsweise die unzureichende Tarifbindung.

Vor der Auswertung und einer letzten Rückmelderunde wurde die Tagung mit einem Podiumsgespräch zum Thema „Neue Wege für mehr Teilhabe am Arbeitsmarkt“ abgeschlossen. Hierbei tauschten sich Beate Müller-Gemmeke, MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Saskia Esken, MdB, SPD, Ralf Nuglisch, AG Arbeit, Der Paritätische Baden-Württemberg und Jendrik Scholz, DGB Baden-Württemberg aus. Es kam zu lebendigen Diskussionen auch mit dem Publikum. Die Tagesordnung ermöglichte also auch in diesem Jahr thematische und methodisch aktive Mitgestaltung.

Erwerbslosentagung 2019: Teilhabe und Ausgrenzungsrisiken

1.-3. Juli 2019

Evangelische Akademie Baden
Haus der Kirche – Bad Herrenalb

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch in diesem Jahr möchten wir Sie herzlich zur alljährlichen Erwerbslosentagung einladen.
Die dies­jährige Veranstaltung befasst sich mit dem Thema Teilhabe und Ausgrenzungsrisiken.

Unter dieser Überschrift beleuchten wir in diesem Jahr Fragen der sozialen Teilhabe und der Gesund­heitsförderung. Betroffene und Vertreter/innen aus Politik, Forschung, Projekten und Initiativen, aus Ein­r­ichtungen und dem öffentlichen Gesund­heitsdienst werden über Ihre Erfahrungen berichten.

Werte wie Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Soli­da­rität verstehen sich nicht von selbst, sondern müssen immer wieder neu mit konkreten Inhalten gefüllt und durchgesetzt werden. Stets kommt es in Theorie und Praxis darauf an, Gesundheit für alle zu ermöglichen. Alle in Deutschland lebenden Menschen sollen die Chance haben gesund zu sein und gesund zu bleiben, unabhängig von sozialem Status, Herkunft, Alter und Geschlecht.

Die Tagung bietet sowohl thematisch als auch methodisch Möglichkeiten zur aktiven Mitgestaltung bei Workshops und Diskussionen.

Im Namen aller Veranstalter laden wir Sie herzlich ein.

Renate Zäckel
Sozialsekretärin KDA Baden
Flyer zur Erwerbslosen-Tagung 2019 in Bad Herrenalb (Vorderseite) Erwerbslosentagung 2019: Teilhabe und Ausgrenzungsrisiken weiterlesen

Rückblick Erwerbslosen-Tagung 2018: Solidarität und Konkurrenz

Die Erwerbslosen-Tagung in Bad Boll ist vorbei, Zeit ein Resümee zu ziehen. Das offizielle Programm kann auf den Seiten der Akademie Bad Boll nachgelesen werden.

Die Tagung begann für einige Teilnehmer*innen schon einen Tag zuvor mit dem Solidaritätsmarsch von Stuttgart nach Bad Boll, der sie an verschiedenen sozialen Einrichtungen vorbei führte. (der Flyer dazu als PDF) Die Wochenzeitung „Kontext“ hat darüber berichtet: „Unterwegs für eine solidarische Welt

Die Tagung fand statt von Montag, 2. Juli 2018 bis Mittwoch, 4. Juli 2018.

Nach der Begrüßung und Einführung in die Tagung durch Klaus-Peter Spohn-Logé vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt Baden konnte Ministerialrat Knut Bergmann vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg zu den  Teilnehmer*innen sprechen.

Anschließend folgte der erste Vortrag des Tübinger Sozialethikers Prof. Dr. Matthias Möhring-Hesse. Er griff unter dem Titel „Konkurrenz und Solidarität: Bleibt das Hemd näher als der Rock?“ das Leitthema der Tagung auf, die dieses Jahr „Solidarität und Konkurrenz“ zwischen Erwerbslosen und Geflüchteten thematisieren wollte.

Im Anschluss sprach Jendrik Scholz vom DGB Baden-Württemberg über „Arbeits- und Wohnungsmarkt und soziale Sicherungssysteme – empirische Befunde zur Zuwanderung in Baden-Württemberg“. Dabei wurde anhand des Wohnungsmarkts nochmal deutlich, wie prekär die Lage für diejenigen ist, die auf die sozialen Sicherungssysteme angewiesen sind.

Es folgte ein Bericht von der „Zukunftswerkstatt Solidarität“, einem Projekt der Denkfabrik – Forum für Menschen am Rande, die sich bereits vor der Tagung mit der Frage beschäftigt hatte „Wie können Solidarität und Teilhabe organisiert werden?“. Im Zuge dessen wurden auch Bilder des Solidaritätsmarschs gezeigt. Es gibt auch einen kleinen Film, der die Aktion zusammenfasst.Rückblick Erwerbslosen-Tagung 2018: Solidarität und Konkurrenz

Abgeschlossen wurde der erste Tag mit dem Kulturprogramm. Die  Sängerin und Studentin an der Popakademie Mannheim Gizem Gözüacik sang und spielte Gitarre und kommentierte zwischen den Lieder die Auswahl Ihrer Songs. Ihr Repertoire umfasste sowohl kurdische, lasische und aserbaidschanische Balladen, als auch italienische und deutsche Arbeiterlieder.

Den Dienstag morgen eröffnete die Geschäftsführerin des DGB Baden-Württemberg Julia Friedrich mit einem Referat über „Wirtschaftliche Megatrends und Strukturwandel – wie sich Wirtschaft und Arbeitswelt in Baden-Württemberg verändern“.

Anschließend präsentierte Antonio Russo von der christlichen Arbeitnehmerbewegung ACLI aus Rom einige Informationen zum Stand der Fluchtbewegungen über das Mittelmeer nach Europa und die Situation in Italien. Die Präsentation zum Download: „Solidarity and competition“ (PDF)

Unter dem Titel „Solidarität ist möglich!“ fanden am Nachmittag vier Workshops statt, deren Ergebnisse am Ende von den einzelnen Gruppen präsentiert wurden.
Die Workshops behandelten die „Zukunftswerkstatt Solidarität“, „Flüchtlinge und Erwerbslose im SGB II“, „Faire Mobilität und faire Integration“ sowie die „Integration von Geflüchteten in Gesellschaft und Arbeitsmarkt“.

Von der Zukunftswerkstatt Solidarität können wir folgende Präsentations-Materialien zum Download anbieten:

Auch der Dienstag Abend endete mit einem Kulturteil. Die Autoren Florian Schmitz und Soumar Abdullah lasen aus „Erzähl mir von Deutschland, Soumar: Wie ein syrischer Flüchtling mir mein Land näherbrachte“ und diskutierten mit den Zuhörer*innen über die Entstehungsgeschichte ihres gemeinsamen Buches, prekäres Leben und die Situation von Geflüchteten in Deutschland.

Der Mittwoch morgen versuchte bereits ein kleines Resümee aus der Tagung und den Workshops zu ziehen, wobei es zu einer lebendigen Diskussion kam.

Anschließend konnte Christian Rauch,  Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg, über „Perspektiven zur Lage von langzeitarbeitslosen Menschen in Baden-Württemberg und den Stand der Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen“ referieren, was mit einer lebhaften, aber auch solidarischen Diskussion zwischen den Tagungs-Teilnehmer*innen und dem obersten Dienstherrn der Arbeitsagenturen und Jobcenter in Baden-Württemberg endete.

Die Präsentation hierzu liegt ebenfalls zum Download vor: Perspektiven zur Lage von langzeitarbeitslosen Menschen in Baden-Württemberg und Stand der Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen (PDF)

Zum Abschluss der Tagung wurde nochmal versucht ein Resümee der Tagung zu ziehen, Termine und allgemeine Informationen konnten ausgetauscht werden. In dem Zuge konnte auch Klaus-Peter Spohn-Logé, langjähriger Koordinator des baden-württembergischen Zusammenschlusses der Erwerbsloseninitiativen „LAGALO“ und Sozialsekretär des Kirchlichen Diensts in der Arbeitswelt (KDA) der evangelischen Landeskirche Baden seine künftige Nachfolgerin vorstellen: Renate Zäckel hat bislang beim Fraueninformationszentrum des Vereins für Internationale Jugendarbeit als Beraterin zum Thema Arbeitsmigration und Arbeitsausbeutung gearbeitet und dabei Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Ländern unterstützt, wenn sie hier unter teilweise ausbeuterischen Bedingungen als billige Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Das Thema prekärer Arbeitsverhältnisse wird ihr in der neuen Funktion wohl erhalten bleiben.

Erwerbslosentagung in Bad Boll 2018

Auch 2018 findet vom 2. bis 4. Juli wieder eine Erwerbslosen-Tagung in der evangelischen Akademie Bad Boll statt. Zeitnahe Anmeldung bietet sich an, da bereits über 40 Plätze vergeben sind!

Die Tagung steht dieses Jahr unter dem Titel „Solidarität und Konkurrenz“. Im Ankündigungstext heißt es:

„Aktuelle Entwicklungen wie der Einsatz von digital gesteuerten Prozessen, aber auch die absehbaren Veränderungen im Automobilbau werden den Strukturwandel in Baden-Württemberg bei den verfügbaren Arbeitsplätzen und beim bezahlbaren Wohnungsangebot verstärken. Die gleichzeitig notwendige Integration von Flüchtlingen in Arbeit führt in diesem Kontext zu einem verschärften Spannungsverhältnis von Solidarität und Konkurrenz unter prekär beschäftigten und langzeiterwerblosen Menschen. Die Tagung soll ausloten, wie die Kräfte der Solidarität gestärkt werden können.“

Weitere Informationen zur Tagung gibt es auf den Seiten der Evangelischen Akademie Bad Boll: Solidarität und Konkurrenz (Erwerbslosentagung 2018)

Bilder und Materialien der Erwerbslosen-Tagung 2017

Wir blicken zurück auf die alljährliche Tagung der Erwerbslosen-Initiativen, die dieses Jahr vom 21. bis 23. Juni im Haus der Kirche in Bad Herrenalb stattfinden konnte. Unter dem programmatischen Titel „Tatort Sozialstaat“ wurden sowohl der Abbau sozialstaatlicher Leistungen, als auch der zunehmende Rechtsruck und andere Phänomene gesellschaftlicher Entsolidarisierung thematisiert. (Tagungs-Programm als PDF)

Freundlicherweise haben uns die Referenten Material zu ihren Vorträgen zur Verfügung gestellt, so dass Inhalte der Tagung auch virtuell nochmal gewürdigt werden können. Sie sind im nachfolgenden kurzen Bericht verlinkt.

Bilder und Materialien der Erwerbslosen-Tagung 2017 weiterlesen